Viele Städte, die stark von der Autoindustrie abhängig sind, erleben derzeit drastische Einnahmeverluste. Sinkende Gewinne bei großen Herstellern und Zulieferern führen zu massiven Einbußen bei der Gewerbesteuer. Besonders betroffen sind Ingolstadt, Stuttgart, Wolfsburg und Rüsselsheim.
Inhaltsverzeichnis;
- Ingolstadt kämpft mit historischen Einbußen
- Stuttgart und Weissach unter Druck
- Wolfsburg nach dem Diesel-Skandal geschwächt
- Rüsselsheim und der Opel-Rückgang
- München bleibt stabil dank breiter Wirtschaftsbasis
- Zwickau profitiert von Rücklagen
- Experten sehen strukturelle Probleme
Ingolstadt kämpft mit historischen Einbußen
Die Stadt Ingolstadt, Heimat des Automobilherstellers Audi, steht vor einer außergewöhnlich schwierigen finanziellen Lage. 2023 lagen die Gewerbesteuereinnahmen noch bei 191,5 Millionen Euro. Für das laufende Jahr rechnet die Stadt nur noch mit 55 Millionen Euro. Ursprünglich waren 70 Millionen Euro geplant. Oberbürgermeister Michael Kern (CSU) sprach von einer „historisch schwierigen Situation“.
Für 2026 erwartet Ingolstadt ein Defizit von bis zu 80 Millionen Euro. Trotz mehrerer Sparmaßnahmen gelingt es der Stadt nicht, den Haushalt zu stabilisieren.
Wichtige Fakten für Ingolstadt
- Einnahmeverluste von über 130 Millionen Euro innerhalb von zwei Jahren.
- Fehlbetrag 2026 zwischen 60 und 80 Millionen Euro.
- Hauptursache: schwache Erträge bei Audi.
Stuttgart und Weissach unter Druck
Im Großraum Stuttgart trifft die wirtschaftliche Abkühlung die Haushalte besonders stark. Die Landeshauptstadt verzeichnet im Doppelhaushalt 2026/27 ein Minus von fast 800 Millionen Euro. Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) spricht von einer „kontrollierten, aber deutlich spürbaren Bremsung“.
2023 nahm Stuttgart rund 1,6 Milliarden Euro Gewerbesteuer ein. 2025 sollen es nur noch 850 Millionen Euro sein. Die Stadtverwaltung bestätigt, dass Umsatz- und Exportrückgänge direkt auf die Finanzen durchschlagen.
Noch gravierender ist die Situation im benachbarten Weissach, wo Porsche sein Entwicklungszentrum betreibt. Die erwarteten Steuereinnahmen sanken von 65 auf nur noch 3 Millionen Euro.
Wolfsburg nach dem Diesel-Skandal geschwächt
Auch Wolfsburg, Sitz des Volkswagen-Konzerns, erlebt schwierige Zeiten. 2024 sanken die Gewerbesteuereinnahmen um 40 Prozent auf 151 Millionen Euro. Für 2025 wird ein weiterer Rückgang prognostiziert.
Die Stadt reagiert mit Sparhaushalten. Mindestens 5 Millionen Euro sollen 2025 und 2026 eingespart werden. Vorrangig wird bei Personal und Sachkosten gekürzt. Bis 2014 war Wolfsburg schuldenfrei und konnte Rücklagen bilden. Doch der Diesel-Skandal 2015 beendete die Phase des Überflusses. Inzwischen sind alle Ersparnisse aufgebraucht. Bis 2029 erwartet die Stadt einen Kreditbedarf von 455 Millionen Euro.
Überblick Wolfsburg
| Jahr | Gewerbesteuer (in Mio. €) | Veränderung |
|---|---|---|
| 2023 | 250 | – |
| 2024 | 151 | –40 % |
| 2025 | <150 (Prognose) | weiter sinkend |
Rüsselsheim und der Opel-Rückgang
Das hessische Rüsselsheim am Main leidet massiv unter dem Niedergang von Opel. Die Zahl der Beschäftigten sank von über 30.000 auf rund 8.300. Der Autohersteller, heute Teil des Konzerns Stellantis, hat kaum noch wirtschaftliche Bedeutung.
Durch den Rückgang der Gewerbesteuer entsteht im Haushalt der Stadt ein Loch von 85 Millionen Euro. Viele Projekte wie die Sanierung des Theaters müssen gestoppt werden. Die Schulden wachsen rapide.
München bleibt stabil dank breiter Wirtschaftsbasis
In München spürt man die Krise ebenfalls, jedoch weniger stark. Die Einnahmen aus der Gewerbesteuer sinken um etwa 159 Millionen Euro. Trotzdem bleibt das Niveau hoch – die Stadt rechnet noch immer mit 3,6 Milliarden Euro.
Der Grund liegt in der breiten Wirtschaftsstruktur. Neben BMW sind dort auch Siemens, Allianz und Munich Re ansässig. Diese Vielfalt schützt München vor den extremen Schwankungen, die reine Auto-Städte erleben.
Zwickau profitiert von Rücklagen
Der E-Auto-Standort Zwickau, wo Volkswagen produziert, verzeichnet 2025 rund 55 Millionen Euro Gewerbesteuer – etwa 20 Millionen weniger als im Vorjahr. Dennoch bleibt die Zahlungsfähigkeit gesichert. Die Stadt nutzt noch vorhandene Rücklagen aus den Vorjahren.
Experten sehen strukturelle Probleme
Laut René Geißler von der Technischen Hochschule Wildau, Mitautor des Finanzreports der Bertelsmann-Stiftung, bleibt die Lage kritisch. Die Autoindustrie sende derzeit „nur schlechte Nachrichten“. Kommunen mit starkem Automobilbezug spüren die Krise unmittelbar.
Geißler betont, dass Städte wie Ingolstadt oder Wolfsburg trotz aller Schwierigkeiten immer noch vergleichsweise hohe Einnahmen hätten. Doch die Erwartungen seien dort traditionell sehr hoch. Jeder Rückgang werde daher besonders stark wahrgenommen.
Quelle: DONAUKURIER, YouTube